Philip Glass Ensemble, Koyaanisqatsi Live, Lowlands Festival, 21.08.2016

Konzert: Philip Glass Ensemble, Koyaanisqatsi Live

Ort: Lowlands Festival

Datum: 21.08.2016

Dauer: 90 Min.

Zuschauer: ca.4.000

Besondere Festivals fordern das Publikum meistens mit speziellen Programmpunkten zu außergewöhnlichen Zeiten. Entweder sind es besonders angesagte DJ`s, die zu nachtschlafender Zeit aus einem Steher aber auch keinen Tänzer mehr machen können, oder Events am frühen Morgen, bei dem der normale Festivalbesucher noch in der Hose von gestern nach einer Duschmarke kramt.

Prioritäten sind also wichtig, daher war der für 12:50 Uhr angesetzte Philip Glass, mit 79 Jahren wohl der älteste Teilnehmer des Festivals, auf jeden Fall wichtiger als das nächtliche Tanzprogramm am Abend zuvor.

Philip Glass hat nicht nur unzählige Kompositionen für Filme geschrieben, auch diverse Opern und andere klassische Stücke finden sich in seinem großen Werk. Trotzdem ist der Soundtrack zu "Koyaanisqatsi" vielleicht sein berühmtestes "Stück". Kein anderer Film lässt seiner Musik soviel Raum.

Geboten wurde eine komplette Aufführung des Films von 1983, live begleitet von einem Streichensemble. Das bespielte Zelt wurde komplett verdunkelt und viel mehr müde Gestalten als ich erwartet hätte wollten dem interessanten Experiment folgen.

Der Film selber besteht ausschließlich aus Zeitlupen- oder Zeitrafferaufnahmen der Natur und dem, was der Mensch daraus gemacht hat. Der von F. F. Coppola 1983 produzierte Film war, lange bevor die BBC jeden Winkel der Erde mit HD-Kameras zu filmen begann, eine Sensation.

Besonders der Verzicht auf jeglichen Off-Kommentar und die Arrangements von P. Glass verliehen dem Ganzen etwas sehr meditatives. Und doch kommt es immer wieder zu harten Schnitten, wird doch der Mensch hier ganz offen durch die Bilder angeklagt, sich an der Erde vergangen zu haben.

Soweit so kitschig, ist es aber gar nicht. Das Geheimnis ist die Musik, die jedes der gezeigten Bilder in ein Gefühl verändert. Sie verstärkt die Zerstörung und schmeichelt den wandernden Wolken. Zeitloser kann ein Film nicht sein.

Daher fesselt das Konzept auch heute noch so stark, dass selbst bei den hier vorhandenen Rahmenbedingungen (Müdigkeit, Stehen, klassische Musik) fast keiner der Zuschauer vorzeitig das Zelt verlässt.

Viele dürfte schon alleine der Film beeindruckt haben. Auch ich kann mich nur an eine alte VHS-Kopie aus meiner Videothek erinnern. Die riesige Leinwand und das Ensemble erzeugen hier 90 Minuten einen völligen Sog, der nie Langeweile aufkommen lässt.  

Nichts für jedermann, und für die Macher ein aufwendiger Start in den Tag.

 

Das Zelt öffnet sich, die Sonne kitzelt in der Nase und die Augen brennen. Alle verweilen noch einen Moment, schauen sich kurz um und eilen dann zum nächsten Auftritt.  


Dieser Artikel erschien zuerst im Konzerttagebuch (Mein Zuhause. Mein Blog). Das Konzerttagebuch umfasst ca. 4000 Live Konzert- und Festivalberichte.