Zeitgenössische Musik – Strömungen und Ausdrucksformen
Der Begriff zeitgenössische Musik löst die Bezeichnung 'neue Musik' ab und beschreibt in den Augen vieler Protagonisten der Musikszene die Musik der Gegenwart passender. Sie ist vielfältig und geht mit dem rasanten Anstieg einher, der sich in musikalischen Ausdrucks und Erscheinungsformen bietet. Produkt- und Informationsangebote, technische Innovationen und preiswerter werdende Geräte zur Musikproduktion, -speicherung und -wiedergabe sowie Internetplattformen nehmen an Auswahl zu. Sampling bietet die Gelegenheit, Klangvielfalt zu erweitern und alte Strukturen aufzubrechen. Die elektroakustische und die Instrumentalmusik werden musique concrète genannt und beschreiben ein Klangereignis, das aus seinem ursprünglichen Zusammenhang genommen und in einen neuen Kontext gesetzt wird.
Zeitgenössische Musik ist die neue Musik
Komponisten setzen neue Akzente
So verändert sich auch die Musik der Komponisten. Historisches Klangmaterial wird mit aktuellem verknüpft. Einflüsse der Literatur, Philosophie, theoretische Texte, Werke der bildenden Kunst aus unterschiedlichen Epochen und Kulturen, aber auch Film, neue wissenschaftliche Theorien und Fragen der Gesellschaft nehmen an Bedeutung für den Inhalt der Musik zu. Jazz, Rok, Pop und Musiksysteme anderer Kulturen werden mit Umweltgeräuschen, Rezitativen und Zitaten verwoben. So werden Komponisten Klangschöpfer und Klangforscher. Doch bei all der Auswahl und der Vielfalt der Möglichkeiten liegt die Priorität auf den wechselseitigen Zusammenhängen des Individuums und der Gesellschaft, also des Ichs und des Kollektivs.
Die neue Welt der Klänge
Auch die Räumlichkeiten, in denen musiziert wird, nehmen nun an Bedeutung zu. Der Raum wird systematisch erforscht und als musikalischer Parameter revolutioniert. Auf der Suche nach neuen Raumkonzepten entstehen neue Aufführungsmöglichkeiten. Ehemalige Fabriken, Wasserspeicher, zechen, Brückenkopfpfeiler, Bunker und viele weitere Plätze bieten einen Raum für musikalische Präsentationen und gehören zum Gesamtkunstwerk dazu. Materialien wie Holz, Stein, Glas, Plastik und Metall kommen zum Einsatz. Ferner werden auch Luftballons, Gießkannen, Luftpumpen und Nähmaschinen eingesetzt. Flüstern, Reden, Summen, Singen, Pfeifen, Schnellsprechen, phonetische Staccatos, Schreien, Lachen und Schnalzen erweitern die stimmlichen Ausdrucksformen und werden durch Mimik unterstützt. So wird die Kommunikationsform der Menschen durch ihre hohe Emotionalität genutzt und erzielt eine groteske Wirkung. Fotos, Bilder, Filme und Videos gehören zur Partitur, aber auch Plastiken und Gemälde sowie Alltagsgegenstände. Decodierungssysteme der Farben, Formen und Bewegungsabläufe führen zu einer immer wieder individuellen Aufführung. So werden plötzlich nicht nur Instrumente, sondern auch Diaprojektoren, Lichtkonzeptionen und Filmabspielgeräte für eine Aufführung nötig.
Der Zuhörer und Zuschauer als Teil der Performance
Der Zuhörer wird in das Klanggeschehen hineinversetzt und kann beispielsweise in Franz Martin Olbrischs Musik-Environment aktiven Einfluss auf das Geschehen nehmen. Karlheinz Stockhausen, Lachemann, Pierre Boulez und Luigi Nono sid beispielhafte Komponisten, die innovativ mit der zeitgenössischen Musik arbeiten. Auch mit der Körperlichkeit es Instrumentes wird gespielt. Seine Klangfarbe wird entfremdet und lässt beispielsweise Kratzen, Quietschen und Schaben erzeugen. Auch Bodypercussion wird eingesetzt und erzeugt nicht nur in der pädagogischen Arbeit neue Akzente. So entwickeln sich neue systemische Kommunikationsformen wie zum Beispiel ein Orchester ohne Dirigent.
Das Konzert als Darstellung
Auch in der Darstellung der Musik werden die üblichen Strukturen der Konzertform aufgebrochen. So stellt das Ensemble als bevorzugte Form des Tutti die Solisten in den Hintergrund und verhindert somit Sonderstellungen einzelner Musiker. Es herrscht eine Gleichberechtigung zwischen den musikalischen Individuen. Kantate, Oper und Madrigale führen plötzlich zu einer Virtuosität. Artikulations- und Registerwechsel, aber auch unterschiedliche Tempi schlagen in ein Extrem um und verlangen den Artisten ein hohes Ausmaß an Anforderung ab. Neue Klanglandschaften entstehen und erzeugen im Kopf des Zuschauers einen imaginären Film. Musik wird nicht nur gehört, sondern auf audiovisueller Ebene erlebt.
Linktipp:
Bildquelle: Seppo Heikinheimo, Public domain, via Wikimedia Commons